Krise und Hoffnung

Gestern verabredeten wir, dass wir uns bei Schwester 2 treffen und gemeinsam ins Krankenhaus fahren. Leider erhielten wir morgens die Auskunft, dass wir erst in der offiziellen Besuchszeit zwischen 16:00 und 18:00 Uhr zu Mutti dürfen. Also verschoben wir unser Treffen auf Nachmittags.

Mittags machte ich meinen Wochenendeinkauf, zu dem ich bisher noch nicht gekommen war. Gegen 13:00 Uhr war ich zu Hause. Mein Mann sagte mir, dass Schwester 2 angerufen habe, es gäbe Komplikationen.

Im Telefonat erzählte sie mir dann, dass Muttis Herzschlag während der Aufwachphase wieder auf sehr niedrige Werte abgefallen war und der Arzt nun im Hinblick auf die Patientenverfügung wissen wollte, ob wir damit einverstanden sind, dass Muttis Koma wieder vertieft würde und dann ein temporärer Herzschrittmacher eingesetzt würde. Schwester 2 bejahte dies und fragte nun, ob ich damit einverstanden bin. Ich war froh, dass sie diese Entscheidung getroffen hatte. 

Auskunft des Arztes war auch, dass Mutti gegen 16:00 Uhr wieder einiges mitbekommen würde. Allerdings würde sie noch beatmet sein.

Als wir zu Mutti kamen, war sie ansprechbar, konnte aber natürlich aufgrund der Beatmung nicht reden. Sie hat aber schnell herausgefunden, wie sie ihre Bedürfnisse dennoch deutlich machen konnte. Das Wichtigste waren ihre Brille und ihre Zähne. Also bin ich hoch auf Station, um diese zu suchen.

Dort hatte man alles von Mutti in Tüten gepackt und in einem Abstellraum geparkt.

Ihr Bett war schon neu vergeben.

Ich durchsuchte alles, obwohl wir, bevor wir zur Intensiv gegangen sind, schon einmal alles nach eben Brille und Zähnen vergeblich durchsucht hatten.

Dann fragte ich eine Schwester nach diesen Dingen. Nach etwas Sucherei fand sie Brille und Zähne in einem Tresorfach im Stationszimmer. Erleichtert ging ich wieder zurück.

Wir waren zu viert und in wechselnden Konstellationen bei Mutti. Irgendwann war ich mit Sohn 1 bei ihr. Sie wollte, dass wir jeweils ihre Hand hielten. Nach einer Weile, sie kämpfte genauso mit den Tränen wie wir, obwohl wir versuchten, Mut zu machen, streckte sie die Zeigefinger aus und zeigte damit auf uns. Dann bewegte sie Zeige- und Ringfinger, um uns deutlich zu machen, dass wir gehen sollten. Auf meine Frage, ob Schwestern 2 und 3 noch einmal kommen sollten, nickte sie. Wir verabschiedeten uns und gingen. Kurz danach waren auch die Beiden wieder bei uns. Sie erzählten, dass jetzt gleich noch ein Arzt zu uns kommen würde. Dieser war sehr nett und ehrlich. 

Es läuft darauf hinaus, dass Mutti schwer krank ist, da sie mehrere Baustellen hat. Die jetzige mit dem Herzen, da wären sie sehr zuversichtlich, dass Mutti das packt. Niere ist das zweite große Problem. Da muss man noch abwarten, aber es kann sein, dass sie für eine begrenzte Zeit oder auch für immer dialysepflichtig werden kann. Die Entzündungswerte sind durch den Eingriff wieder gestiegen, aber wenn sie normal sind, kann problemlos ein dauerhafter Herzschrittmacher eingesetzt werden.

Das Aneurysma sieht er nicht als behandlungswürdig. Eine Operation daran wäre eine extreme Belastung auch für die Nieren und bei Muttis Gesamtzustand eher nicht geraten. 

Bis zum Abend würde man den Druck der künstlichen Beatmung schrittweise zurück fahren, so dass Mutti wahrscheinlich abends extubiert würde. Er versprach, dafür zu sorgen, dass sie dann schnellstmöglich ihre Zähne zurück erhält. Der Arzt betonte, dass Mutti ihren eigenen Kopf hat und dies ein gutes Zeichen ist. Sie macht alles mit aber zeigt auch Grenzen. Das würden sterbende Patienten nicht tun. Sie würde kämpfen und nicht aufgeben. Das wäre ein sehr gutes Zeichen.

Nach dem Gespräch holten wir Muttis Sachen und fuhren zurück.

Morgen fahren wir wieder gemeinsam hin. Dann kommt noch Cousine U mit. U ist Ärztin, Fachgebiet Anästhesiologie, sie versteht den Ärtekauderwelsch und kann, da sie nicht ganz so emotional ausgeknockt ist, bestimmt viele Fragen stellen, die wir wieder vergessen würden. Und bestimmt auch welche, auf die wir nie im Leben kämen. 

Familie ist toll. Massenhaft Fachleute in verschiedenen Gebieten! Schön, wenn wie bei uns, jeder für den Anderen da ist. Danke <3

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