Die erste Woche

Morgen ist es also eine Woche, dass wir Heinz ins Pflegeheim gegeben haben. Auf Nachfrage wurde uns gesagt, dass es für Heinz einfacher ist, sich einzugewöhnen, wenn wir die ersten zwei Wochen nicht kommen. Wir waren also nicht bei ihm. 

C. war letzten Samstag noch im Pflegeheim, um Kleidung abzugeben. Sie wurde zum Gespräch gebeten. Freitag Nacht ist Heinz in seinem Zimmer gestürzt. Zum Glück ist nichts passiert. C. wurde gebeten, ihr Einverständnis für die Bestellung von Schutzwäsche zu geben. Dabei handelt es sich um Unterhosen, die seitlich eine Tasche haben, in die ein Schutzpolster gesteckt wird. Dies soll wohl vor allem Oberschenkelhalsbrüche verhindern, wenn Heinz stürzt. Natürlich willigte C. ein. Diese Schutzwäsche muss privat bezahlt werden, weder Kranken- noch Pflegekasse übernehmen die Kosten für diese Präventivmaßnahme. Dabei verursachen Knochenbrüche bei alten Personen hohe Folgekosten. Wesentlich höher als die ca. 60 € für diese Schutzwäsche. Wer versteht die Logik dahinter?

Seitdem haben wir nichts gehört. Wir hätten natürlich anrufen können, aber es sind immer noch so viele Dinge zu regeln, dass wir täglich beschäftigt sind. Bisher haben wir nicht nachgefragt.

Da sich das Heim auch noch nicht bei uns gemeldet hat, gehen wir davon aus, dass es einigermaßen funktioniert.

Ich spüre ich eine gewisse Entschleunigung. Auch wenn immer noch viel zu regeln ist, baut sich diese Anspannung, Befürchtung, was wieder passiert, langsam ab. 

Wir müssen Heinz dann auch ummelden. W. und C. müssen beim Amtsgericht die Betreuung beantragen, damit wir das Haus vermieten oder verkaufen können.

Das ist auch irgendwie schizophren - Das Amtsgericht sagt, dass die Vorsorgevollmacht vom Gesetz her für alles genügt. Schließlich steht darin auch, dass man in Vermögensdingen, in Immobiliensachen und für Verträge jeder Art bevollmächtigt ist. 

Verschiedene Geldinstitute erkennen das nicht an. Um Verträge im Namen des Vollmachtgebers zu schließen, ändern oder beenden, ist die Betreuung nötig. Diese ist mit Aufwand verbunden. Man muss z.B. die Vermögensverhältnisse des Betreuten offen legen und jährlich einen Rechenschaftsbericht beim Amtsgericht vorlegen. Das mag ja bei Fremdbetreuern sinnvoll sein, aber bei Familienangehörigen, die sich kümmern, erhöht es den sowieso schon hohen Aufwand beträchtlich.

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Erster Besuch

Sonntag waren wir bei Heinz. Wir sind Göga, Sohn 2 und 3 und ich.

Wir sind mit ihm in den Garten gegangen. Er war friedlich, kannte uns nicht, aber merkte, dass wir zu ihm gehören. 

Er hat sich gut eingelebt. Er fragte nach seinem Haus, aber im Gegensatz zu früher fragte er nicht, wann er wieder hin kommt. Statt dessen schlug er vor, dass einer der Jungs darin wohnen könne.

Insgesamt hat er wieder sehr abgebaut. Das geht gerade rasant. Er ist nur noch ein Häufchen Mensch. Trinken geht nicht mehr ohne Anreichen, Laufen geht nicht mehr. Irgendwie verliert er gerade alles. Auch Sprechen ist sehr mühselig und oft unverständlich. 

Demenz ist eine Dreckskrankheit! Das hat niemand verdient!

 

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Sommerferien

Schwägerin C. ist Montag mit Familie in Urlaub geflogen. Sie sind drei Wochen weg.

Wenn sie wiederkommen, fahren wir in Urlaub, zwei Wochen Erholung. Bei uns sind noch zwei Pakete für Sky und Unitimedia, die wir zurücksenden müssen, wenn die Verträge enden. 

Aber wie erfahren wir, dass wir zurücksenden sollen?

Die Verträge laufen auf Heinz.

Wir habe einen Nachsendeauftrag für Heinz Post an C. gestellt. Diese hat für die nächsten drei Wochen einen Nachsendeantrag an ihre Schwiegermutter U. gestellt. Kommt nun dort Post an, fotografiert sie diese, schickt die Bilder an C. und diese entscheidet, ob die Post von der Schwiegermutter geöffnet werden soll. Wenn ja, dann schickt U. ein Foto der geöffneten Post an C. und wenn Handlungsbedarf besteht, schickt C. das an uns. Dann handeln wir.

Hört sich etwas kompliziert an und ist es wohl auch. Aber keiner von uns war jemals in dieser Situation und niemand gibt einem Hilfe. Man muss sich halt durchwursteln.

Wir sind bestimmt nicht die einzige Familie, in der ein Vater oder eine Mutter dement ist und ins Pflegeheim muss. Man findet viele Informationen, zur Wahl des geeigneten Pflegeheims, zu den Formalitäten, die man vorher klären muss.

Aber was alles danach noch geregelt werden muss, dazu findet man kaum etwas. Wir waren viele Tage damit beschäftigt, herauszufinden, welche Vereine gekündigt werden müssen, welche Verträge, wie z.B. Sky überhaupt existieren und gekündigt werden müssen.

Die ambulante Pflege, der Pflegenotruf, der deutsche Pflegevermittler und der polnische Vermittler mussten gekündigt werden.

Die Sanitätshäuser, die Pflegebett, Rollator, Toilettensitzerhöhung und sonstiges geliefert hatten, mussten informiert werden, dass sie diese Hilfsmittel wieder abholen. Es muss dann auch jeweils jemand vor Ort sein, da für viele Hilfsmittel eine Art Kaution gezahlt werden musste, damit man diese zurück bekommt. 

Dann ist da der Treppenlift, den wir einbauen ließen. Im Rückblick völlig umsonst, da er nie von Schwiegereltern benutzt wurde. Aufgrund der Pflegestufen hat die Pflegekasse diesen bezahlt. Nun möchten wir ihn wieder los werden. Wem gehört er eigentlich? Und wer bekommt das Geld, wenn er verkauft wird? Oder sollten wir die Pflegekasse bezüglich des Verkaufs kontaktieren?

Allerdings ist es im Moment so, dass wir im Sommerferienmodus angekommen sind und alle diese Sachen gedanklich von uns weg schieben.

Aber sie sind wichtig und wir müssen uns ihnen stellen. Früher oder später.

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Studitreff

Gestern hatten wir Studitreff bei uns. Vier Studienkollegen von W. waren bei uns. Drei davon mit Frau.

Wir treffen uns reihum etwa alle drei Monate. Es ist eine schöne Freundschaft.

Zum ersten Mal erzählten wir gemeinsam, was seit dem 05. Mai bei uns passiert ist. Wir lachten viel. Obwohl es zum Weinen war. Aber es war gut, die Distanz zu haben, um ein Stück weit zu verarbeiten, was geschehen ist. 

Seit drei Wochen ist Heinz im Pflegeheim. Langsam kommen wir zur Ruhe. Wir rechnen nicht mehr ständig mit einer Alarmmeldung. Ab und zu können wir tatsächlich schlafen, ohne dauernd wach zu liegen und uns Sorgen zu machen.

Erholsamer Schlaf ist unser größter Wunsch. Ins Bett gehen, einschlafen, durchschlafen, morgens erholt wach werden.

Das habe wir gefühlt ewig nicht gehabt. Darauf hoffen wir. 

 

Gestern war ein wirklich schöner Abend. Freunde sind Gold wert. Wir habe Freunde.

 

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Besuch bei Heinz

Montag waren W. und ich Heinz besuchen. Wir kamen genau zur Abendessenszeit. Heinz hat einen festen Sitzplatz im Essraum. Er saß dort und aß selbständig sein Abendbrot. Wir waren erstaunt, hatten wir doch gedacht, dass ihm jede Mahlzeit angereicht werden müsse.

Als er fertig war, gingen wir mit ihm in den Garten. Wir spazierten ein wenig herum und setzen uns dann auf eine Bank, um mit Heinz zu erzählen. Auf die Frage, ob er gestern Besuch hatte, antwortete er mit "Nein". Konkret nach den Besuchern gefragt, erinnerte er sich und erzählte, dass sie lange da gewesen seien. Er machte einen wachen Eindruck, es war möglich, ein Gespräch zu führen, dem er folgen konnte.

Er fragte auch nach "Omas" Tod. Er weiß, dass jemand gestorben ist, der für ihn sehr wichtig war. Aber er weiß nicht, dass es seine Ehefrau war, mit der er immerhin 58 Jahre verheiratet war.

"Oma" war immer seine Mutter, die bis zu ihrem Tod bei ihm und der Familie gewohnt hat. Seine Frau hat er jahrzehntelang "Mutter" genannt.

Er lässt sich genau erzählen, wie sie gestorben ist, was alles passiert ist und ist untröstlich, dass sie sterben musste. 

Als wir uns dann verabschieden und ihn in seinem Rollstuhl auf der Station abstellen, sagt er: "Dann muss ich jetzt ja gehen" und versucht, aufzustehen.

Auf unsere Frage, wohin er denn gehen müsse, erhalten wir die Antwort: "Nach Hause!"

Das Wohnheim ist nicht sein Zuhause und wird es wahrscheinlich nie werden. Aber es ist seine letzte Zuflucht, seine letzte Station hier im Leben. Sein Zuhause gibt es nicht mehr. Es gibt noch das Haus - aber ein Haus wird erst durch die Bewohner zu einem Zuhause. Niemand ist da, niemand kann Heinz diese Zuhause wiedergeben. Er wird erst wieder zu Hause sein, wenn er gestorben ist. 

Bis dahin lebt er im Seniorenheim und viele nette, engagierte Mitarbeiter kümmern sich um ihn.

 

Demenz ist grausam. Sie lässt Gefühle zu, aber man weiß nicht mehr, wem diese Gefühle gelten. 

 

Wenn man aber mal im Kopf durchspielt, wie die Situation wäre, wenn Heinz keine Demenz hätte - es würde zu Hause genauso wenig möglich sein, wie jetzt. Er kann keinen Haushalt führen, nicht waschen, kochen, Einkäufe planen. Er war immer ein Macho, der von vorne bis hinten bedient wurde und dies auch einforderte. Eine 24-Stunden-Kraft aus Polen hätte er kategorisch abgelehnt. 

Da ist die Demenz für uns vielleicht sogar Helfer. Man weiß es nicht.

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