fremde Welt

Das ist nicht mein Bett. Ich liege auf dem Rücken, die Augen geschlossen. Vielleicht ist es nur ein Traum und wenn ich weiter schlafe, werde ich in meinem Bett zu Hause aufwachen. Meine Hand tastet zur Seite. Die Frau ist nicht da. Der Schlaf will nicht kommen, also öffne ich meine Augen.

Ich liege auf etwas, das wie ein Bett wirkt, aber keins ist. Gegenüber steht ein großes Bild, das ist ganz schwarz. Vielleicht wirkt das nur so, denn hier ist es ziemlich dunkel. Davor steht etwas, da könnte man drauf sitzen, ein Tisch mit kurzen Beinen ist auch da. Über mir baumelt etwas, das könnte eine Art Lampe sein. Aber es hängt sehr niedrig. Da stößt man sich den Kopf dran, wenn man nicht aufpasst.

Auf der einen Seite ist ein großes Fenster, doch man kann nicht hindurch sehen. Gegenüber ist ein kleines Fenster. Dahinter schweben seltsame Lebewesen herum. Ich denke zumindest, dass sie leben. Manche sind ganz klein, andere etwas größer, aber nicht größer, als meine Finger lang sind. Ein Geräusch erfüllt den Raum. Es erinnert mich an Regen, aber ich werde nicht nass.

Auf dem Boden stehen meine Schuhe. Endlich etwas Vertrautes. Vorsichtig stehe ich auf, damit ich mir nicht den Kopf stoße. Neben dem schwarzen Bild ist eine kleine Lampe, die ein wenig Licht spendet. Ich ziehe meine Schuhe an. Meine Hände sehen verändert aus, die Finger lassen sich kaum krümmen, also lasse ich die Bänder auf.

Das schwarze Bild zieht mich an. Jetzt, wo ich davor stehe, scheint es ein tiefes Loch zu sein, das mich in sich hineinziehen will. Hastig wende ich den Blick ab und sehe hinten ein weiteres Licht. Langsam, um die kleinen Geister nicht aufzuscheuchen, bewege ich mich auf das Licht zu. Überall stehen unbekannte Dinge herum, für die ich keinen Namen kenne. Die Tür zum Licht ist offen. Ich gehe hindurch und stehe in einem kleinen Flur, von dem noch andere Türen abgehen. Eine davon steht offen, auch dahinter ist Licht.

Ich betrete einen winzigen Raum. An der Wand hängt das Bild eines alten Mannes. Es bewegt sich. Der Mann sieht erschrocken aus, er streicht sich mit einer Hand durch sein weißes Haar. Ich drehe dem seltsamen Bild den Rücken zu. Gegenüber ist etwas, das erinnert mich an ein Klo. Das ist gut, meine Blase drückt. Es sieht zwar anders aus, als bei mir zu Hause, aber ich beschließe, dass es brauchbar ist.

Aber, wie kann ich abziehen? Zu Hause ist ein Knopf hinter dem Klo, den drücke ich, aber hier finde ich keinen. Da ist nur so ein Kasten hinter dem Ding. Ich taste ihn ab und tatsächlich lässt er sich an der Seite oben eindrücken und Wasser spült alles weg.

Ich will den Raum verlassen, da steht plötzlich eine fremde Frau im Flur und sagt: „Wäschst du dir noch die Hände, Heinz?“

Heinz, das bin ich. Woher weiß sie meinen Namen? Ich schaue auf meine Hände. Sie sind sauber. „Hände waschen? Muss ich das tun?“

Bestimmt antwortet die Frau: „Ja, das macht man so!“ Ihr Ton lässt keinen Widerstand zu.

Also drehe ich mich um und suche etwas zum Hände waschen. Da ist kein Wasserhahn zum Aufdrehen, so sehr ich suche. Neben dem seltsamen Bild des alten Mannes hängen Tücher, wie Gardinen. Vielleicht ist das gar kein Bild, sondern ein Fenster.

Das Kloding ist die einzige Wasserquelle, die ich finde. Vielleicht macht man das hier so, dass da auch die Hände gewaschen werden. Hier ist ja alles anders. Ich bücke mich und nehme Wasser aus der kleinen Pfütze, die darin steht. So werden meine Hände nicht sauber. Ich drücke noch mal auf den Kasten, da fließt Wasser an der Wand runter. Es reicht noch nicht, also drücke ich noch einmal.

Mit nassen Händen will ich den Raum verlassen, da steht noch die Frau. Sie greift an mir vorbei und zieht an einem Hebel.

„Schau, Heinz, hier ist Wasser und das hier ist Seife. Halt mal die Hände dahin, dann gebe ich Seife darauf und Du kannst Dir hier die Hände waschen.“

Aus einer Flasche drückt sie flüssiges Zeug auf meine Finger.

Versuchsweise reibe ich die Hände unter dem Wasser. Tatsächlich, es schäumt. Zu Hause ist Seife ein Klotz, den man zwischen den Händen reibt und für Wasser muss ich Räder drehen. Sowas, ein Hebel für Wasser und flüssiges Seifenzeug.

Als ich fertig bin, drückt die Frau wieder den Hebel und gibt mir ein Tuch zum Abtrocknen.

Dankbar sage ich zu ihr: „Das habe ich nicht gewusst, dass das ein Ding zum Händewaschen ist. Das ist ja toll – und das Wasser ist schön warm!“

Sie nimmt mich in den Arm und sagt: „Komm, jetzt trinken wir erst einmal Kaffee!“

 

Kaffee, das klingt gut. Endlich etwas Bekanntes in dieser fremden Welt. 


Dieser Text versucht, aus der Perspektive eines dementen Mannes eine Situation zu schildern, die er erlebt hat, als er bei Sohn und Schwiegertochter lebte, weil seine Frau im Krankenhaus lag.