Neuer Tiefschlag

Als ich gegen 14:35 Uhr im Krankenhaus ankomme, führt mein erster Weg zum Sozialdienst. Dort war ich Dienstag schon einmal um 15:05 Uhr, um zu lesen, dass sie nur bis 15:00 Uhr da sind.

Inzwischen habe ich den Antrag auf Pflegemittel von der Krankenkasse erhalten und möchte, dass der Sozialdienst bei der Einstufung durch den MDK hilft. Bei Schwiegereltern (anderes Krankenhaus) ist der Sozialdienst von sich aus tätig geworden und hat vieles in die Wege geleitet und uns erleichtert.

Vor dem Flur ist eine geschlossene Tür mit einem Klingelbrett. Es gibt dort viele Mitarbeiter und viele Klingeln, aber nicht einer öffnet oder fragt überhaupt (Gegensprechanlage) nach. Groll wächst in mir heran.

Ich beeile mich, ins neunte Stockwerk zu kommen, um dort den Case-Manager aufzusuchen - doch o Wunder - auch er ist nicht anzutreffen. Ich bin geladen.

Schwester 3 ist bei Mutti. Ich begrüße beide kurz und fange an zu schimpfen. Es muss gerade raus.

Mutti schaut mich an und sagt leise: "Aber daran sind wir ja nicht schuld."

Sofort schäme ich mich. Sie hat ja recht. Sowas braucht sie gerade gar nicht.

Nach meiner Entschuldigung kann ich den Ärger beiseite drücken und mit beiden plaudern. Schwesterchen verabschiedet sich bald danach. 

Mutti geht es viel besser. Sie hat enorm Wasser abgebaut, hat keinen Blasenkatheter mehr und scherzt mit mir und der Bettnachbarin.

Allerdings schimpfen die beiden auch über das Pflegepersonal. Nachdem es mehrfach zu unerfreulichen Situationen gekommen ist, wie z.B. Mutti zur Toilette zu bringen und dann nicht wieder zu kommen, mehrfachem: Ich komme gleich und nichts passiert, haben die Damen gestern beschlossen, überhaupt nicht mehr zu klingeln.

Das ist abends dann irgendwann tatsächlich aufgefallen und man kam sich erkundigen. Darauf haben die beiden dann wohl Dampf abgelassen.

Heute war es wohl etwas besser, obwohl notwendige und angeordnete Dinge bis spätnachmittags noch nicht geschehen waren und sie die Ärztin darauf angesprochen haben.

 

Die Ärztin kam, um mit Mutti über die notwendige Herzkatheteruntersuchung zu sprechen. Mutti war erst strikt dagegen, da diese Untersuchung zwingend mit Kontrastmittel erfolgen muss und ihr vom Nephrologen jede Kontrastmittel-Untersuchung im Hinblick auf die Nieren untersagt wurden. Die Ärztin erklärte sehr ausführlich und nahm sich viel Zeit, auf Muttis Ängste einzugehen. Allerdings war das Fazit, dass es sich ohne Nierenfunktion besser lebe als ohne Herzfunktion. Außerdem würde man den schlechten Nierenstatus natürlich berücksichtigen, indem es schon im Vorfeld Medikamente gäbe, die die Nieren schützen, die Untersuchung mit zwei Kameras gleichzeitig durchgeführt würde, damit weniger Kontrastmittel nötig sei und die Nieren schon während der Untersuchung stark gespült würden, damit das Kontrastmittel schnell abgebaut werden könne.

Mutti erfasste genau, dass es hier nur ein entweder ohne oder gab. Also stimmte sie zu und unterschrieb. Die Untersuchung ist für Montag geplant.

Ein Famulant, also quasi Medizinstudent im Praktikum, erschien und verkündete eifrig, dass man ja an der Nebenniere einen kleinen Tumor, also ein Ding, was da nicht hingehört, gefunden habe und dass dies einen erhöhten Cortisonausstoß zur Folge haben könnte. Er befragte Mutti nach tausend Symptomen, von denen vielleicht zwei zutreffen und erklärte, dass am Montag dann eine Cortisonuntersuchung gemacht würde. Er erzählte genau, wie das vor sich geht und verschwand glücklicherweise irgendwann.

Wir haben uns dann noch schön unterhalten. Mutti war auch einmal auf der Toilette, wobei ich nur als Sicherung in ihrer Nähe blieb. Sie war agil und munter. Es ging ihr viel besser.

 

Irgendwann kam der Pfleger, um Blutdruck, Temperatur und Puls zu überprüfen. Diese schicken Automaten machen das ja praktisch von allein. Pulsoximeter an den Finger, Manschette um den Arm und Knopfdruck - fertig. Nur die Temperatur wird dann noch mit einem Ohrthermometer gemessen.

Leider wollte das Gerät bei Mutti nicht. Bestimmt sechs mal gab es insgesamt an beiden Armen nur eine Errormeldung, nachdem es sich minutenlang angestrengt hatte, um den Blutdruck zu messen. Irgendwann war der Pfleger es leid und holte ein altmodisches Blutdruckmessgerät mit Pumpe und Stethoskop. Damit war er dann erfolgreich.

Muttis Puls war währenddessen bei zwischen 31 und 39 Schlägen pro Minute. Aber genau deshalb war sie ja im Krankenhaus.

Gegen viertel vor fünf fuhr ich beruhigt nach Hause.

Um 17:35 Uhr war ich zu Hause und habe gleich eine WhatsApp in unsere Schwesterngruppe geschrieben. Dann haben wir noch hin und her geschrieben und als ich beim Schreiben der dritten WharsApp war, klingelte mein Handy mit einer unbekannten Nummer.

 

"Klinik ABC, Dr. Sowieso, sind Sie die Tochter von Frau P.?"

"Ja."

"Ihre Mutter hatte einen Herzstillstand. Wir haben sie reanimiert und ins künstliche Koma versetzt. Wir machen jetzt gleich die Herzkatheteruntersuchung, um abzuklären, warum es dazu gekommen ist. Sie kommt danach auf die Intensivstation. Ich gebe Ihnen die Durchwahl, da können Sie ab 20 Uhr anrufen."

 

Bange Stunden folgten. Dann die Auskunft: "Sie hatte keinen Herzinfarkt. Die Herzrhytmusstörung war verantwortlich. Sie ist stabil und es sieht gut aus." 

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