Besuch bei Heinz

Montag waren W. und ich Heinz besuchen. Wir kamen genau zur Abendessenszeit. Heinz hat einen festen Sitzplatz im Essraum. Er saß dort und aß selbständig sein Abendbrot. Wir waren erstaunt, hatten wir doch gedacht, dass ihm jede Mahlzeit angereicht werden müsse.

Als er fertig war, gingen wir mit ihm in den Garten. Wir spazierten ein wenig herum und setzen uns dann auf eine Bank, um mit Heinz zu erzählen. Auf die Frage, ob er gestern Besuch hatte, antwortete er mit "Nein". Konkret nach den Besuchern gefragt, erinnerte er sich und erzählte, dass sie lange da gewesen seien. Er machte einen wachen Eindruck, es war möglich, ein Gespräch zu führen, dem er folgen konnte.

Er fragte auch nach "Omas" Tod. Er weiß, dass jemand gestorben ist, der für ihn sehr wichtig war. Aber er weiß nicht, dass es seine Ehefrau war, mit der er immerhin 58 Jahre verheiratet war.

"Oma" war immer seine Mutter, die bis zu ihrem Tod bei ihm und der Familie gewohnt hat. Seine Frau hat er jahrzehntelang "Mutter" genannt.

Er lässt sich genau erzählen, wie sie gestorben ist, was alles passiert ist und ist untröstlich, dass sie sterben musste. 

Als wir uns dann verabschieden und ihn in seinem Rollstuhl auf der Station abstellen, sagt er: "Dann muss ich jetzt ja gehen" und versucht, aufzustehen.

Auf unsere Frage, wohin er denn gehen müsse, erhalten wir die Antwort: "Nach Hause!"

Das Wohnheim ist nicht sein Zuhause und wird es wahrscheinlich nie werden. Aber es ist seine letzte Zuflucht, seine letzte Station hier im Leben. Sein Zuhause gibt es nicht mehr. Es gibt noch das Haus - aber ein Haus wird erst durch die Bewohner zu einem Zuhause. Niemand ist da, niemand kann Heinz diese Zuhause wiedergeben. Er wird erst wieder zu Hause sein, wenn er gestorben ist. 

Bis dahin lebt er im Seniorenheim und viele nette, engagierte Mitarbeiter kümmern sich um ihn.

 

Demenz ist grausam. Sie lässt Gefühle zu, aber man weiß nicht mehr, wem diese Gefühle gelten. 

 

Wenn man aber mal im Kopf durchspielt, wie die Situation wäre, wenn Heinz keine Demenz hätte - es würde zu Hause genauso wenig möglich sein, wie jetzt. Er kann keinen Haushalt führen, nicht waschen, kochen, Einkäufe planen. Er war immer ein Macho, der von vorne bis hinten bedient wurde und dies auch einforderte. Eine 24-Stunden-Kraft aus Polen hätte er kategorisch abgelehnt. 

Da ist die Demenz für uns vielleicht sogar Helfer. Man weiß es nicht.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0